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 Syndicus der Hanse / Syndikus der Hanse

 

  Die Gründe der Amtseinrichtung

  Das 1556 geschaffene Amt des Syndicus [1] [2] [3] stellt geschichtlich betrachtet die einzige greifbare personengebundene Repräsentanz der hansischen Städtegemeinschaft dar. Aus gutem Grund baute sich die Städtegemeinschaft einen unangreifbaren, im weitesten Sinne betrachtet, nichtjuristischen Status auf. Dieses drückte sich durch die Tatsache aus, dass die Hanse kein eigenes Siegel führte, sowie bis 1556 durch keinen offiziellen Vertreter repräsentiert wurde und keine Beschäftigen hatte.

  Bis 1556 vertrat anfänglich der Rat und später der Syndicus von Lübeck die Interessen der Hanse, dieses allerdings nur in einem sehr eingeschränkten Umfang und unter Einbeziehung der lübischen Standpunkte. Mitte des 16. Jahrhunderts zeichnete sich eine immer größere Zersetzung des hansischen Einflusses bei seinen Handelspartnern und Kritikern ab. Zusätzliche Zerwürfnisse unter den einzelnen Mitgliedsstädten, die auch aus der verheerenden Niederlage der Jahre 1534 / 1535 resultierten beschädigten zusätzlich die Stabilität der Hanse. Beispielhaft zur Destabilisierung der Hanse soll hier die Politik der Stadt Lübeck als Haupt der Hanse aufgeführt werden:

 

Bürgermeister Jürgen Wullenwever auf einem Spottportrait aus dem Jahre 1537   -   Für eine größere Darstellung klicken Sie auf das Bild.

  • ↑   Bürgermeister Jürgen Wullenwever auf einem Spottportrait aus dem Jahre 1537

 

  Der Lübecker Bürgermeister Jürgen Wullenwever [1] [2] [3] versuchte durch eine aggressive Außen- und Innenpolitik den Status der Hanse und insbesondere die lübische Vormachtstellung innerhalb der Hanse auszubauen. Hierbei war unter anderem auch das Bekenntnis, des durch Wullenwever gesteuerten Rat der Stadt Lübeck zum Protestantentum eine entscheidende Gegebenheit, die den katholischen Klerus, das Lübecker Patriziertum, diverse Landesfürsten und den Kaiser brüskierten. Eine immer aussichtslosere Situation, bei der Lübeck zusehends politisch isoliert wurde, führte zuerst zur Entmachtung und von Wullenwevers [1] [2] [3] Ratsmitgliedern und am 19.08. 1535 zum Rücktritt des Bürgermeisters. Wullenwevers Feinde vergaßen ihrerseits nicht die Entmachtung der katholischen Kirche und nutzten seine Durchreise durchs Land des Erzbischof von Bremen zur Verhaftung des entmachteten Bürgermeisters und anschließenden Abschiebung an den Herzog von Braunschweig, wo er einer peinlichen Befragung unterzogen wurde. Unter der Folter gestand Wullenwever [1] [2] [3] im März 1536 diverse fragwürdige Verbrechen, unter anderem auch einen geplanten Streich gegen den neuen Rat von Lübeck. Am 24.09. 1537 wurde der Unglückliche in Wolfenbüttel enthauptet und anschließend gevierteilt.

  Als Konsequenz auf die Entwicklungen veranlassten das ,,Haupt der Hanse“ die Einrichtung der Stelle eines hauptamtlichen Vertreters, dem Syndicus der Hanse. Dieses Amt sollte nur vorübergehend eingerichtet werden und wurde auf 6 Jahre begrenzt. In der Folgezeit erfolgten mehrfache Amtsverlängerungen, erst 1576 wurde dem Amtsinhaber, das Amt auf Lebenszeit zugebilligt:

,,Wier die vorordnete und gesandten der Quartier und anderer gemeiner erbarer Hanse stedte zu gegenwärtigem gemeinen Hansetage in der stadt Lubeck versamlett, thuen kundt und bekennen kraft dieses: Nachdem der erbar und hochgelerter herr Heinrich Suderman, beider rechten Doctor und gemeiner Hanse Syndicus, uns, auch gemeinen anderen erbaren Hanse stetten die zeit von 20 jahren verpflichtet gewest und sonst auch dabevor gedient …, das wir derwegen in nahmen allgemeiner erbarer stett uns mit ermeltem herren Doctor Suderman und ehr sich hinwiederumb mit uns in handelunge eingelassen, solches auch beiderseits gesetzlichen vollentzogen, das nemblich er Doctor Suderman unsz und gemeinen erbaren stedten sich auffs neue vorwandt gemachet und vorpflichtet hat, unsz und denselben mit radende, redende, raetschlegen, auch aller anderer sachen notturft zu stellende, und worin wir und gemeine erbare stdte seiner zu gebrauchen nöttig haben, bestes seines vorstandes und vormugens die zeit seines lebens zu dienen gewertig und guttwillig zu sein und bleiben, also lange vornunfft, vorstandt und leibes vormugenheit durch göttliche gnade ime solches zulassen und nachgeben wirdt, dieszer maszen und gestaldt: …“

 

 Heinrich Sudermann, der neue Syndicus der Hanse

 Personenbezogene Daten H. Sudermann:

  • * 31.08. 1520 in Köln
  • 07.09. 1591 auf Tagfahrt nach Lübeck zum Hansetag
  • Bestattet in Köln
  • verheiratet, 6 Kinder

 Krankheitsverlauf von H. Sudermann:

  • 1590 schwere Krankheit
  • Februar 1591 schweres Magenleiden
  • 07. September 1591 durch Schwächeanfall
  • Der Leichnam wurde eingewickelt in Ochsenfelle als einfache Handelsware nach Köln überstellt

 Daten der Angehörigen von H. Sudermann:

  • Vater – Herrmann Sudermann † ~ August 1571
  • Bruder – Hillebrand Sudermann
  • Ehefrau von H. Sudermann - † ~ 1577

 Beruflicher Werdegang von H. Sudermann:

  • 1538 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Köln mit Verleihung des Doktortitels der Rechtswissenschaften.
  • 15521556 begleitender Berater von Kölner Gesandtschaften.
  • 1556 rückwirkende Ernennung zum Syndicus der Hanse.
  • 1562 Verlängerung der Berufung zum Syndicus der Hanse.
  • 1667 Verlängerung der Berufung zum Syndicus der Hanse.
  • 1572 Berufung zum Syndicus der Hanse auf Lebenszeit.
  • Sudermann unternahm als Syndicus der Hanse über 50 Dienstreisen und reiste eigenen Aufzeichnungen zufolge 14,5 Jahre.
  • 07.09. 1591 auf Tagfahrt nach Lübeck

 

Doktor Heinrich Sudermann der erste Syndicus der Hanse 1520 - 1591

 ↑ Doctor utriusque iuris Heinrich Sudermann – Doktor der Rechtswissenschaften Heinrich Sudermann, der erste Syndicus der Hanse. Die Art der bildlichen Darstellung ist bezeichnen für den hohen Stand des Syndicus. Der Pelzkragen ist typisch für Kaufherren der Zeit, die Halskrause war nicht nur Mode, sondern wurde von Professoren und Senatoren getragen (Die Position des Syndicus war mit der Position eines Generalsekretärs zu vergleichen, dem eine nur geringfügig uneingeschränkte Handlungsfreiheit oblag). Der Schmuck und die kostbaren Kleider unterstrichen Stand und Reichtum innerhalb der Gesellschaft. Der Hut dokumentiert den Stand eines Gelehrten. Der gepflegte Vollbart unterstrich die gesetzte Persönlichkeit.

 

  Der Werdegang von Heinrich Sudermann

  Heinrich  Sudermann [1] wurde am 31. August 1520 als Sohn des Kölner Patriziers und  Bürgermeisters  Hermann  Sudermann  geboren  und begann um 1538 an der Kölner Universität das Studium der Rechtswissenschaften, das er erfolgreich als  ,,doctor utriusque iuris – Doktor der Rechtswissenschaften“ [1] abschloss. Bis  Anfang  der 50er Jahre des 16. Jahrhunderts bekleidete Sudermann [1] keine feste  Stelle innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Struktur der Hansestadt  Köln [1] [2] [3]. Hermann Sudermann verstand es aber, auch auf Grund seiner umfangreichen   politischen   Beziehungen,   seinen  Sohn  Doctor  Heinrich Sudermann [1] von 1552 bis 1556 als begleitenden Berater in Gesandtschaften der Hansestadt  Köln [1] [2] [3]  unterzubringen,  die  zu  Hansetagen  und  nach  England abgeordnet wurden.

  Während  der Jahre seiner beratenden Tätigkeit knüpfte Sudermann wiederholt durch  geschickte  Manöver Beziehungen zu Einflussreichen Persönlichkeiten, was  auch  die  Huldigung  der frisch gekrönten Königin Maria [1P] im Jahre 1553 deutlich  zeigt,  bei  der  er  es  zum  Vorteil  der  Hanse  verstand eine Bestätigung  der  hansischen  Privilegien  auszuhandeln. Die ausgehandelten Privilegien wurden auf Veranlassung der englischen Kaufmannschaft sehr bald infrage gestellt und letztendlich durch das Königshaus gekippt.

 

Der Stalhof zu London als Handzeichnung

 ↑ Der Stalhof zu London auf einer Handzeichnung aus dem 18 Jahrhundert.

 

  Die  Berufung  in  das Amt des Syndicus der Hanse erfolgte rückwirkend 1556 und war auf nur sechs Jahre begrenzt. In den folgenden Jahren 1562 und 1567 wurde die Berufung verlängert. 1572 erfolgte schließlich bei einem Hansetag in  Lübeck  die  Berufung  zum Syndicus auf Lebenszeit. In der Hanserecesse (Hanserezesse) ist unter Punkt 5 zu lesen, dass dem Syndicus eine jährliche Zahlung  von 100 Pfund Sterling und 100 Talern (100 Taler für den Unterhalt seiner Schreiber, Diener und Dienstjungen) zugesprochen wurden, die in zwei Hälften  (Weihnachten  und  St.  Johannis Baptistae [Johannistag 24.06.]) durch den Altermann und Kaufmannsrat  des  Lundischen Conthors [1P] (Londoner Kontor – Stalhof) gezahlt werden  soll.  Weitere  100  Taler wurden dem neuen Syndicus von Seiten des Bruggischen  Conthors  [1P] [2P] (Brügger  Kontor)  zugesprochen,  die Auszahlung der Summe sollte an den gleichen Tagen erfolgen wie bei dem Londoner Kontor und ebenfalls  durch den Vorsteher des Kontors und den Kaufmannsrat. Weiterhin ist in der Hanserezesse vermerkt, dass der Syndicus zur Aufzeichnung der in den  Kontoren  zum  Verzehr  ausgegebenen  Nahrungsmittel  und  Hilfsmittel verpflichtet sei. Briefe an bedeutende Handelshäuser der Hanse belegen eine schleppende  Zahlungsmoral,  mit immer häufigeren Verweigerungen. So sollte lt. dem Beschluss eines Hansetages von 1581 Sudermann eine Dienstwohnung im Hansekontor  Antwerpen  beziehen,  um  sich  den  schwierigen  finanziellen Verhältnissen  des  Hansehauses  prüferisch  zu  widmen. Heinrich Sudermann lehnte  dieses  mit  dem Hinweis der vorenthaltenen Unterhaltszahlungen und gefährlichen  religiösen  Wirren  ab  (Antwerpen  war  in der Mitte des 16. Jahrhunderts   auch   Schauplatz   des   Bildersturms).  Die  katastrophale Zahlungsmoral  der  Hanse  fand  1582 und 1585 erneut ihren Ausdruck in der Weigerung,   Handelsniederlassungen  im  östlichen  Raum  aufzusuchen  (dem heutigen  Polen)*.  In  öffentlichen  Äußerungen  drohte  Sudermann  in  der Folgezeit  mit der Auflösung seines Dienstverhältnisses. Die Reaktionen der Hanse  fielen hierauf  eher  verhalten  aus,  so mahnte Lübeck mit schönen Worten  die  Ehrenpflicht  der Unterhaltserfüllung an. Erst nach seinem Tod rechneten  die  säumigen  Zahler  mit  den hinterbliebenen 6 Kindern ab und erwarben  alle das Handelsbündnis betreffenden persönlichen Aufzeichnungen, des großen Mannes.

* In diesem Zusammenhang mehr Informationen auf unserer Sonderseite “Dokumente Heinrich Sudermanns” - HIER KLICKEN.

  Sudermann,  der seit über einem Jahr an diversen Krankheiten litt, verstarb am 07. September 1591 auf einer Tagfahrt, die zu einem Hansetag nach Lübeck führen  sollte,  in  Lübecker Gewässern.  Laut Aufzeichnungen wurde der an einem Schwächeanfall verstorbene in Ochsenfelle gewickelt und seinem Wunsch entsprechend  als  einfache  Handelsware  in  seine  Heimatstadt  Köln  zur Bestattung überstellt.

 

 Das Lebenswerk von Heinrich Sudermann

 England

  Zeit seines Lebens reiste er allein 14,5 Jahre lang in der Funktion des Syndicus der Hanse zu wichtigen Verhandlungen und war an maßgeblichen Entscheidungen beteiligt. Alle Bemühungen, konnten allerdings den Niedergang der Hanse nicht stoppen und die hansische Position verschlechterte sich in England zusehends. Erst die Thronbesteigung durch Königin Maria [1P] im Jahre 1553 eröffnete für die Hanse die Möglichkeit einer unvoreingenommeneren Verhandlungsposition. Traditionell bildeten von den deutschen Kaufleuten die Kölner [1] [2] [3] in England eine große Präsenz. Der junge Kölner Rechtsgelehrte Heinrich Sudermann [1], noch in der Position eines begleitenden Beraters von Kölner Gesandtschaften, ergriff sofort mit einer Gesandtschaft die Möglichkeiten einer Audienz. Die Wichtigkeit der neuen politischen Verhältnisse wurde auch durch die Anwesenheit des gebrechlichen Vaters unterstrichen. Noch im November 1553 kamen Verhandlungen zu einem positiven Abschluß, in dem die im Februar 1552 durch König Eduard VI. [1P] gestrichenen Privilegien wieder bestätigt wurden. Leider stellten sich die neue Bestätigung alsbald als ,,Hülsen“ heraus. Versuche einer Stabilisierung der hansischen Machtposition innerhalb Englands [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] durch ein allgemeines Stapelverbot innerhalb des hansischen Raumes, machte der Egoismus des mächtigen Hamburg, dass den Englischen Kaufleuten das Stapelrecht in der Hansestadt gewährte, zunichte. Im Juli 1567 beschnitt Hamburg durch die Genehmigung des Stapelrechtes und die Einrichtung einer Handelsniederlassung innerhalb der hamburgischen Mauern alle Bemühungen des Syndicus. Die zusätzliche Gewährung eines zehnjährigen Handelsprivilegs schwächte die hansische Position auf endgültige weise.

 

London im Jahre 1574 - im Vordergrund der Stalhof - Stiliards - Grundriss von Braun U. Hogenberg  -  Für eine größe Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild.       Ordnung des Kontors Stalhof in London aus dem 16. Jahrhundert  -  Für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild.

  • ↑ (oben links) London im Jahre 1574 - im Vordergrund der Stalhof - Stiliards - Grundriss von Braun U. Hogenberg.
  • ↑ (oben rechts) Ordnung des Kontors Stalhof in London aus dem 16. Jahrhundert.

  Interessanterweise konnte Heinrich Sudermann nicht auf seine anfänglichen Erfolge aufbauen, vielmehr entwickelten sich im laufe der Zeit Antipartien gegen seine Person und einzelne Hansestädte, wozu auch Köln zählte, so dass der Syndicus alsbald in England auf verlorenem Posten stand. 1573 zeichnete sich die Möglichkeit einer Besserung der Beziehungen ab, weil der Englische Staatshaushalt marode war und dringend frische Finanzmittel benötigt wurden. Die Empfehlung des Londoner Kontors, eine Anleihe in Höhe von 40.000 Pfund zu gewähren, wurde abschlägig behandelt. England ging als Reaktion auf die hansische Politik immer stärker auf Konfrontationskurs und verwies einen Großteil der hansischen Kaufleute des Landes und drohte in der Folgezeit wiederholt mit der Schließung des Stalhofs . Als Konsequenz auf die gespannte Lage, die auch von massiven Ausschreitungen begleitet waren, wurden die Geschäfte des Kontors nur noch von vier Personen unterhalten. Die Situation war aus Sicht der Hanse so stark beschädigt, dass Sudermann 1585 eine Gesandtschaft nach England nicht mehr begleitete. Die Hansestadt Stade versuchte ihrerseits durch die Gewährung des Stapelrechtes einen ,,Individualfrieden“ mit England aufzubauen. Die Reaktion des Syndicus fiel mit der Kommentierung ,, … das ewige Schande das Ende der Hanse sein werde …“ entsprechend hart auf eine Vielzahl von Verfehlungen aus. Der 30.06. 1589 bildete, mit der Kaperung von 68 hansischen Schiffen im Hafen von Lissabon durch die Englische Flotte, den absoluten Tiefpunkt in den gegenseitigen Beziehungen.

 

 Niederlande / Antwerpen

  Als Reaktion auf die massiven Eingriffe der Englischen Regierung in den hansischen Handel, richtete der Städtebund sein Interesse auf Antwerpen [1]. Die politischen und religiösen Verhältnisse der Freien Reichsstadt waren geprägt durch die üblicherweise Zerrüttungen, die vielerorts in Nordeuropa herrschten. Die Vorläufer des protestantischen Bildersturms hinterließen auch in Antwerpen [1] ihre ersten Spuren und erschwerten den nicht auf ein fest gebundenes Gebäude (Kontor) bezogenen Handel der Hanse. Brügge hatte 1545 als Unterstützung des hansischen Handels mit der Stadt Antwerpen einen förmlichen Vertrag geschlossen, der den Status der Hanse nicht wesentlich verbesserte, allerdings innerhalb des Geheimen Rates der Stadt das Verlangen einer festen hansischen Handelsniederlassung weckte. 1557 fasste die Hanse unter der Leitung Sudermanns und des Brügger Kontors die Idee einer großen Brügger Niederlassung in Antwerpen auf und band sie gleichzeitig an die Bedingung einer Privilegienbestätigung. – Die Pläne für ein großes Handelshaus waren geboren.

 

 Ostersches Haus (Hansehaus) in Antwerpen

  Im Januar 1562 entschloss sich der Geheime Rat der Stadt Antwerpen zu einer teilweisen Bestätigung der der hansischen Privilegien, die allerdings nur dem neuen Handelshaus zugesprochen wurden. - Das Brügger Kontor hatte vergeblich versucht sein Stapelrecht in Antwerpen durchzusetzen. Im Oktober 1563 kam nach zähen Verhandlungen der Vertragsschluss zum Bau des großen Handelshauses zum Abschluss. Die Gesamtkosten für das Handelshaus wurden insgesamt auf 124.000 Gulden [1] [1P] und das Gebäude sollte nach Fertigstellung in den Besitz der Hanse übergehen. Der Anteil den die Hanse zahlte, belief sich auf 60.000 Gulden [1] [1P], die übrigen 64.000 Gulden [1] [1P] sollte entsprechend dem Vertrag Antwerpen aufbringen.

  Der hansische Anteil zum Bau des neuen Handelshauses sollte sich entsprechend der Beschlussfassung eines Hansetages durch die Einrichtung eines Schosses [1] [2] finanzieren (Der Schoss war in diesem Fall ein „Finanzierungstopf“, in den die Mitglieder der Städtegemeinschaft in regelmäßigen Abständen einen festgelegte Beitrag zum Unterhalt des neuen Antwerpener Handelshauses einzahlten). Das Übereinkommen zur Beschossung [1] [2] beinhaltete die Beitragsbefreiung von Köln [1] [2] [3] [4] [5] [6], was innerhalb kürzester Zeit den Einspruch diverser Städte zur Folge hatte. Aufzeichnungen zufolge soll Danzig [1] in der Verweigerung eine Vorreiterrolle eingenommen haben, die 1566 zur Einberufung des Kammergerichtes führte. Die Verweigerung führte letztendlich zu einer existenziell gefährdend hohen Verschuldung des Handelshauses. Im Angesicht einer sich anbahnenden Auseinandersetzung versuchte Sudermann, in Hinblick auf seine Beziehungen zu Köln [1] [2] [3] [4] [5] [6] und einer möglichen Diskreditierung in Kölner Kreisen, durch Verhandlungsgeschick einen jahrelangen Prozess abzuwenden. 1584 stand es um den Finanzhaushalt des Antwerpener Handelshauses so schlecht, dass einzelne Inventargegenstände von Gläubigern zur Zwangsversteigerung offeriert wurden.

  Sudermann verhandelte als Konsequenz mit den Gläubigern des Handelshauses und gleichzeitig mit Köln [1] [2] [3] [4] [5] [6], das 1584 vorübergehend einlenkte (Der Hansetag in Lübeck an Köln (= KJ II n. 2245): sechsjährige Kontribution für die Kontore ist beschossen. - 1584 Nov. 16. StA Harderwyk, Lok. 16, Kölner Abschrift. StA Zutjen, Ing. St. 1581-91, Abschrift, beschädigt.). Die Gläubiger gewährten dem Antwerpener Handelshaus einen begrenzten finanziellen Aufschub, der allerdings auf feste Beine gestellt werden musste. Der in den Augusttagen des Jahres 1566 vorangegangene Bildersturm bereitete dem laufenden Handelsgeschäft, der noch im alten Handelshaus einquartierten Kaufmannschaft, ernsthafte Schwierigkeiten und brachte die spärlichen Umsätze fast zum Einbruch. Die dringend anberaumte Übersiedlung von Sudermann und seiner Familie im Jahre 1566 musste immer wieder verschoben werden und konnte erst im Sommer 1567 realisiert werden. Sudermann bezog im alten Hansehaus der Scheldestadt Antwerpen Quartier, aber musste bereits Anfang Oktober 1567, auf Grund einer sich dramatisch zuspitzenden Lage, die mit öffentlicher Aufruhr verbunden war, seine Familie nach Köln zurückschicken. Am 16.03. 1569 wurde das neue Hansehaus bezogen und von der Stadt mit den vertraglich festgesetzten Privilegien ausgestattet.

 

Das von 1564 bis 1568 durch Cornelis Floris erbaute Antwerpener Hansehaus wurde 1893 durch einen Brand zerstört.  -  Für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild.Bürgschaft der Hansestädte Deventer, Münster, Nimwegen, Soest; Wesel und Zütfen aus dem Jahre 1564 wegen des Osterschen Hauses (Hansehaus) in Antwerpen.

  •  ↑ (oben links) Das von 1564 bis 1568 durch Cornelis Floris erbaute Antwerpener Hansehaus wurde 1893 durch einen Brand zerstört.
  • ↑ (oben rechts) Bürgschaft der Hansestädte Deventer, Münster, Nimwegen, Soest; Wesel und Zütfen aus dem Jahre 1564 wegen des Osterschen Hauses (Hansehaus) in Antwerpen.

 

  Das imposante Hansehaus kann als das größte greifbare Werk des hansischen Syndicus, Doktor Heinrich Sudermann, betrachtet werden. Dem Bau des Hansehauses war die Überlegung einer Stärkung des hansischen Handels in den Niederlanden vorausgegangen. Die zeitweise Verlegung des Kontors von Brügge [1] nach Antwerpen destabilisierte die Grundlage des Brügger Kontors und zog eine Übersiedlung von über einhundert Kaufleuten nach Antwerpen nach sich. Eine Vielzahl der Kaufleute heirateten im laufe der Zeit in niederländische Familien ein, was die hansischen Statuten strikt verbaten. Sudermann strebte angesichts dieses für die Hanse fatalen Einflussverlustes auf den Antwerpener Handel, eine Festigung der hansischen Position in Flandern und den Niederlanden an. Die Hanse erließ zu diesem Zweck gegen alle in Antwerpen ansässigen Hansekaufleute die Anordnung ihre Geschäfte einem unverheirateten Faktor zu übertragen und unverzüglich mit ihren Familien in Hansestädte zu übersiedeln. Dreizehn Kaufleute ließen sich hiervon nicht beeindrucken und zogen den Verlust der Hanseprivilegien vor.

  Die Kontore der Hanse waren in ein strenges Regelwerk eingebunden, das nicht selten auf minuziöse Weise in fast alle Bereiche des geschäftlichen und privaten Lebens eingriff. Ein interessantes Beispiel bietet hierfür die unten abgebildete “Brügger Kontorordung von 1354”, die in der Folgezeit wiederholt ergänzt wurde.

 

Brügger Kontorordnung von 1354.  -   Für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild.        Hansehaus in Brügge - Domus Osterlingorum Brugae, Kupferstichdarstellung von Antonius Sanderus. Für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild

  • ↑ (oben links) Brügger Kontorordnung von 1354
  • ↑ (oben rechts): Hansehaus in Brügge - Domus Osterlingorum Brugae, Kupferstichdarstellung von Antonius Sanderus.

 

Diese Punkete, die hierunter geschrieben stehen, die waren angeordnet mit Zustimmung und Vollbord des gemeinen Kaufmanns von Deutschland, die derzeit bei einander waren im Karmeliterkloster zu Brügge im Jahr unseres Herrn, als man schrieb 1354 am 20. April.

Weiter ist zur gleichen Zeit und in dem vorgenannten Jahr angeordnet worden: Im Fall, daß Jemand sein Gut anders verzollen würde, als er in Flandern verpflichtet ist, und dabei als schuldig von dem Zöllner befunden würde, so soll er ebenso viel, als er an Strafe an den Zöllner verwikt hat, auch noch gegen den gemeinen Kaufmann verwirkt haben, und dazu noch 10 Schillinge Grote, ohne Gnade.

Weiter: wer das Recht der Deutschen verschmähen oder aufsagen wolle aus Hochmut oder Verbitterung oder Erlaubnis des Kaufmanns, der soll nicht wieder in das Recht des Kaufmanns aufgenommen werden, noch an ihren Freiheiten teilhaben, soweit man das hindern kann. Hätte auch Jemand ein Gemeinschaftsverhältnis mit vorgenanntem Manne, etwa eine Widerlegung oder eine Kaufmannsgesellschaft, der soll diese Gemeinsaft mit ihm binnen Jahr und Tag auflösen, bei einer Buße von 10 Mark Goldes.

  • ↑ (oben) Übersetzung der Brügger Kontorordnung von 1354

 

  Ein wesentlicher Erfolg sollte sich allerdings nicht abzeichnen, so dass Sudermann auf dem Hansetag den Bau eines gewaltigen Hansehauses in Antwerpen [1] vorschlug. Mit dem neuen Hansehaus wollte er einerseits das Geschäft der Hanse in Brügge [1] beleben, das auf beängstigende Weise rückläufig. Das Kontor soll sich Berichten zufolge wiederholt vor der Pleite befunden haben, andererseits wollte er die Kaufleute, den hansischen Statuten entsprechend, in einem großen Gebäude binden. Mit einer bebauten Fläche von 5.000 Quadratmetern, inklusive Innenhof, sowie der symbolischen 365 Fenster (für jeden Tag des Jahres ein Fenster), lassen die Dimensionen des Gebäudes erahnen. Das Hansehaus soll über 133 einzelne Schlafräume, zahlreiche Schlafsäle, 23 größere Lagerräume und 27 Kellerräume für Waren (vorwiegend Tuchwaren), sowie unzählige Küchen und Speisesäle verfügt haben. Das gesamte äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wurde mit viel symbolischen Zeichen ausgestattet und sollte die Macht der Hanse unterstreichen. Als Baugrundstück wurde der Hanse, in der damaligen Neustadt Antwerpens, ein Grundstück von der Stadt zugewiesen, das idealer weise leicht mit Schuten beschickt werden konnte.

  Alle Bemühungen Brügge [1] mehr Gewichtung zu verschaffen schlugen auch auf Grund der vorteilhafteren geographischen Lage von Antwerpen fehl. Historische Handelsbücher und Dokumente weisen Bourgneuf, La Rochelle [1] [2], Straßburg [1], London [1] [2] und nicht zuletzt auch Köln als enge Handelspartner von Antwerpen [1] aus (wobei sich der Handel häufig auf die Durchreise beschränkte). Die intensiven Handelsbeziehungen der Hansestadt Köln [1] [2] [3] [4] [5] [6] mit Antwerpen und Brügge [1] stellten sich auch auf eindrucksvolle Weise durch den ab 1583 erhobenen „Hundertsten Pfennig“ dar. Allein 1583 wurden von Köln 480.000 Taler für den Tuchhandel erhoben.

 

  Im Mai 1569 reiste Sudermann zu seinem schwer erkrankten 78jährigen Vater nach Köln zurück und kehrte erst im Juli 1571 mit einer Kölner Gesandtschaft nach Antwerpen zurück. Bereits Anfang September 1571 musste Sudermann [1]  nach Köln zurückreisen um den Nachlass seines verstorbenen Vaters zu sichten. Das 1569 fertig gestellte neue Antwerpener Hansehaus galt als der Hoffnungsträger der Gemeinschaft, welcher allerdings nicht den rasanten Verfall der Hanse bremsen konnte, die auch aus den Glaubenskriegen in Nordeuropa resultierten.

  Der europaweite Bildersturm hatte in den nördlichen spanischen Provinzen, zu einer breiten Abkehr vom Katholizismus geführt. Der katholische König von Spanien nahm dieses wiederum zum Anlass, seine Provinzen Flandern [1] und die Niederlande [1], unter eine verschärfte militärische Besatzung zu stellen. Unterdessen war der Staatshaushalt von König Philipp II. von Spanien [1P] derart desaströs, dass am 01.09. 1575 der zweite Staatsbankrott ausgerufen werden musste und der Sold der Soldaten über eine längere Zeit nicht gezahlt wurde. Marodierende spanische Söldnerheere verheerten weite Landstriche der Niederlande [1] und versetzten am 04.11. 1576 mit der Plünderung Antwerpens [1] die bekannte Welt in Angst und Schrecken. Der drei Tage währenden Plünderung fielen etwa 10.000 Menschen zum Opfer, ein Drittel der Stadt (ca. 800 Häuser) wurde durch Feuer vernichtet und die Bürger konnten sich nur durch die Zahlung des ausstehenden Soldes freikaufen. Die Plünderung Antwerpens ging auch als Spanische Furie in die Geschichte ein*.

* Hierzu mehr Informationen auf unserer Sonderseite „Antwerpen“ - HIER KLICKEN.

  Katastrophale Missstände veranlassten den Prinzen von Oranienburg, Wilhelm I. [1P], der als königlicher Statthalter der spanischen Krone die Grafschaften Holland, Zeeland und Utrecht [1] [2] verwaltete, im September 1577 in Antwerpen die öffentliche Ruhe wiederherzustellen. In Anbetracht einer sich abzeichnenden Stabilisierung trat Sudermann Ende September 1577 die Rückreise nach Köln an.

  Während der Abwesenheit Heinrich Sudermanns soll es lt. späteren Aufzeichnungen des Syndicus, im Antwerpener Hansehaus zu massiven Verfehlungen gekommen sein. So wurde Hans Pretor, der das Amt des Altermannes bekleidete, vorgeworfen, dass er sich jahrelang widerrechtlich großzügige Jahresgehälter ausgezahlt haben soll und fremde Handelswaren portugiesischen Ursprungs, durch das Contorsiegel zu hansischer Ware umdeklariert habe. Der durch Pretor verursachte Schaden soll sich auf 20.000 Gulden belaufen haben, den er in der Folgezeit schuldig blieb. Als Sudermann Gerüchte über die vorgenannten Missstände erreichten, reiste er 1578 mit einer hansischen Gesandtschaft nach Antwerpen, wo er neben den Ermittlungen auch mit großem Erfolg Verhandlungen abschloss, die eine 20jährige Befreiung von Zollabgaben in Lobith und Brabant einräumten. Eine weiterer wichtiger Erfolg war die Anerkennung eines eigenständigen Gerichtsstandes.

  Die diplomatischen Geschicke Sudermanns waren auch durch den für Antwerpen vorteilhaften Hansetagsbeschluss kennzeichnend, wo eine umfassende Entschuldung des Hansehauses beschlossen wurde. Die durch Sudermann schwer erstrittenen Verträge und Beschlüsse erwiesen sich allerdings nicht zu letzt durch die ständige Missachtung von der Kölner Seite, der sich die meisten Seiten anschlossen, bald als gegenstandslos. Die Hanse missachtete somit nicht nur ihre eigenen Übereinkünfte, sondern verweigerten Sudermann auch die vertraglich fixierten Zuwendungen. Dem Beschluss eines Hansetages aus dem Jahr 1581, in dem Sudermann umgehend Quartier in Antwerpen zu nehmen habe um den finanziellen Bankrott von dem Hansehaus abzuwenden, widersprach Sudermann auf energische Weise: „Keinen Fuß wolle er ohne Geld versetzen“.

  Sudermanns Lage innerhalb der Hanse kann in der damaligen Zeit als schwierig betrachtet werden:

  • Die Hanse kam ihren Unterhaltsverpflichtungen nur schleppend, oder gar nicht nach, was den Syndicus wiederholt dazu veranlasste, dass er öffentlich mit der Niederlegung des Amtes drohte. Offensichtliche Misswirtschaft in den einzelnen Kontoren und insbesondere im Antwerpener Hansehaus, welches zwischenzeitig zu einem heimlichen Kontor avanciert war, setzten Sudermann schwer zu und schienen eine unendliche Geschichte zu nehmen. Wir erinnern: Hans Pretor hatte das Ostersche Haus (Hansehaus) mit zweifelhaften Praktiken an den Rand eines Ruins geführt, worauf nur durch Sudermanns beherztes und schnelles Eingreifen das Haus gerettet werden konnte. In der Folgezeit verbesserten sich Sudermanns Beziehungen zu den Vorstehern des Antwerpener Hansehaus nicht, im Gegenteil, Daniel Gleser, der Altermann des Hansehauses, soll den Syndicus öffentlich verhöhnt haben. Im August des Jahres 1583 spitzte sich die Lage des Antwerpener Hansehauses so weit zu, dass ein Gläubiger Mobilien des Osterschen Hauses zur öffentlichen Versteigerung ausrief. Gleser beschuldigte daraufhin in seiner Verzweiflung Sudermann, die Hauptschuld an dem misslichen Umstand zu tragen. Die Situation des Hauses soll so prekär gewesen sein, dass die Gefahr eines Verkaufs des Hauses nahe lag. Die finanziellen Engpässe des Hauses resultierten wiederholt aus der Aufweichung der hansischen Beschlüsse. Die festgesetzte Schosse [1] wurde genauso verweigert wie die Beiträge zur Entschuldung des Hansehaus.
  • Ein erschreckendes Beispiel für die Entkräftung des hansischen Einflusses verdeutlichte im Jahre 1589 ein Prozessauftakt in Brabant. Der Streitfall bezog sich auf private Forderungen von Wilhelm v. Harss gegen die Stadt Köln. Harss ließ in diesem Fall Pfändungen bei diversen Kölner Kaufleuten durchführen, obwohl dieses dem 1578 erneuerten Privilegienvertrag widersprach. Heinrich Sudermanns Einspruch konnte dieses Unheil nicht abwenden.

  Interessanterweise war das Tätigkeitsfeld des hansischen Syndicus fast ausschließlich auf den Handel der Hanse mit England, den Niederlanden, Flandern und kleinen Teile der französischen Küste beschränkt. Nur in den anfänglichen Jahren beschäftigte sich Sudermann mit der Ausarbeitung eines Rechtsgutachtens zu den dänischen und norwegischen Privilegien. Lübeck führte als Haupt der Hanse in alleiniger Verantwortung Verhandlungen mit den nordischen Reichen und behielt sich auch Entscheidungen über die Kriegsführung vor, wodurch die Hansestadt sich selber immer stärker von der Städtegemeinschaft deplazierte. Hierzu mehr Informationen auf unserer Sonderseite ,,Seekriege der Hanse“ – HIER KLICKEN. Erstaunlicherweise führten die häufigen Probleme, die der große Mann der Hanse in so vielseitiger Weise erfuhr und sich auch allzu oft in Ignoranz ausdrückten, nicht zur Abkehr von seiner leidenschaftlichen Aufgabe.

  Das offene Desinteresse des Hansebundes, das auf massive Weise durch den ignorierten Hilferuf Revals (heute Tallin) im Jahre 1558 zum Ausdruck kam, führte zu einer schleichenden Zersetzung des hansischen Einflusses im östlichen Raum. Die Hanse erkannte alsbald in der preußisch-polnischen Annäherung an Russland ein großes Gefahrenpotenzial, die Kontrolle über wichtige Rohstoffe und Handelswaren zu verlieren. Wir erinnern, dass der Deutsche Ritterorden mit seinen Bernsteinregalen im östlichen Raum eine Monopolstellung inne hatte. Ein weiterer Punkt bezog sich auch auf die Tatsache, dass die Hanse ihre kostbarsten Pelzwaren aus dem östlichen Raum bezogen. In Anbetracht dieser großen Gefahr beauftragte die Hanse Sudermann 1582 mit der Planung und Durchführung einer Gesandtschaft nach Polen. Sudermann kam dieser und einer erneuten Aufforderung im Jahre 1585 mit dem Hinweis nicht nach, dass er seit geraumer Zeit nicht bezahlt worden war. Der verdiente Syndicus legte 1591 als Protestnote auf einem Hansetag eine Aufstellung seiner zahlreichen Reisen vor, die er im Dienste der Hanse angetreten hatte. Die Reaktion von Lübeck fiel hierauf nur relativ verhalten aus. Das Haupt der Hanse appellierte in „mahnenden Worten, dass die finanzielle Unterhaltung des Syndicus eine Ehrenpflicht des Bundes sei“. Eine Verbesserung sollte sich allerdings nicht abzeichnen, so dass Heinrich Sudermann einen Teil seines väterlichen Erbes verkaufen, beziehungsweise beleihen musste.

  Sudermanns gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich ab 1590 zusehends. Im Februar 1591 erkrankte Sudermann an einem schweren Magenleiden, das nicht recht ausheilen wollte. Nach nur sieben Monaten verstarb Doctor Heinrich Sudermann im hohen Alter von 70 Jahren am 07. September 1591 auf einer Tagfahrt in Lübecker Gewässern an einem Schwächeanfall. Seinen Wünschen entsprechend wurde der Verstorbene von den begleitenden Gesandten der Hansestadt Köln in Ochsenfelle gewickelt und als einfache Handelsware in seine Heimatstadt Köln überführt. Nach Aufzeichnungen des Kölner Ratsherren und Chronisten Hermann von Weinsberg, soll Heinrich Sudermann am 27.10. 1591 in der Familiengruft beigesetzt worden sein.

  Was die Hanse Zeit seines Lebens auf geradezu ungehörige Art missachtete und verschleppte, führte die Städtegemeinschaft nach dem Tod des unermüdlichen Dieners durch: - Die finanzielle Abrechnung mit den Hinterbliebenen des Syndicus (und dieses nicht zuletzt auch aus Eigennutz). Sudermann hatte im laufe der Jahrzehnte in akribischer Weise Aufzeichnungen über seine Reisen und Verhandlungen geführt. Zeitgenossen sprachen sogar von Dokumenten, die möglicherweise zu einer gewissen Diskreditierung geführt hätten. Sudermanns Schriften sollen sich heute in den Archiven der Hansestadt Lübeck befinden.

 

 Die Zeit nach Heinrich Sudermann

  Viele Historiker teilen die Überzeugung, dass der Tod des Syndicus dem Städtebund einen schweren Schaden zufügte. Insbesondere Sudermanns diplomatische Geschicke sollen, laut der Meinung dieser Historiker, in der Folgezeit unerreicht geblieben sein. Wir teilen diese Ansicht nur sehr begrenzt und verweisen in diesem Zusammenhang auf die kürzere zeitliche Tätigkeit des zweiten hauptamtlichen Syndicus. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zersplitterung der Hanse können die ausgehandelten Verträge als aussergewöhnliche Leistungen betrachtet werden. Der französische Hanseforscher Philipp Döllinger spricht in seinem bekannten Standardwerk „Die Hanse” wiederholt von einer allgemein demütigen Behandlung der hansischen Syndici. Diese Ignoranz bezog sich nicht nur auf Sudermann und seinen Nachfolger Johann Domann, sondern auch auf die Syndici, die nach dem Tod des letzten hauptamtlichen Syndicus die schwere Arbeit des universell einsetzbaren Bediensteten der Hanse ausfüllten.

 

 Johann Domann, westfälischer Patriot und Syndicus

  Die Städtegemeinschaft verzichtete noch bis Anfang 1605 auf die Besetzung der vakanten Stelle durch einen festen Syndicus. Statt dessen wurden die Pflichten dieses für die Hanse wichtigen Amtes von Städtischen Syndici übernommen. Gleichzeitig zeichnete sich allerdings immer mehr die Notwendigkeit einer festen Stellenzuweisung ab. Johann Domann wurde 1605 auf Empfehlung des Lübecker Bürgermeisters Heinrich Brokes [1P] in das Amt des hansischen Syndicus bestellt. Der junge Domann durchlief einen ähnlichen Werdegang wie Heinrich Sudermann, allerdings mit dem Unterschied, dass Domanns Familie über eine bescheidene finanzielle Ausstattung verfügte. Domann hatte schon frühzeitig für positives Aufsehen gesorgt und genoss verhältnismäßig schnell den Ruf eines westfälischen Patrioten. So beantwortete er den Spottbrief des niederländischen Humanisten Justus Lipsius (* 18.10. 1547 in Overijse, † 23.03. 1606 in Löwen) in einer Form, die für allgemeine Belustigung sorgte und den niederländischen Verfasser alsbald zu einer öffentlichen Entschuldigung zwang. Johann Domanns Schrift „Pro Westphalia“ erfreute sich einer so großen Beliebtheit, dass sie schnell vergriffen war und eine zweite Auflage erfuhr.

 

 Justus Lipsius, unfreiwilliger Wegbereiter Domanns

Justus Lipsius, niederländischer Rechtsphilosoph und Philologe

 ↑ Justus Lipsius, niederländischer Rechtsphilosoph, Philologe und bekannter Epistolograph des Humanismus. Der bekannte Humanist Justus Lipsius “sorgte” mit diversen sarkastischen und Beleidigenden Briefen, in denen er auf geradezu ungebührliche Weise Westfalen angriff für einen europaweiten Eklat. Der junge Johann Domann parierte in seinem ersten bekanntgewordenen Werk “Pro Westphalia” Lipsius Schriftstücke in stilistisch brillianter Weise, die den großen Humanisten erst peinlich berührte und später sogar lächerlich machte. Domanns Schrift war innerhalb kürzester Zeit vergriffen und erfuhr eine zweite Auflage.

Justus Lipsius, oder auch Joest Lips wurde am * 18. Oktober 1547 in Overijse, Isque bei Brüssel  als Sohn des königlichen Magistratsbeamten Aegidius (Gilles) Lipsius und dessen Ehefrau Isabella Durieu geboren. Nach dem Schulbesuch in Brüssel und Ath nahm er 1559 sein Studium bei dem kölnischen Jesuitenkollege auf, in dem er sich auch auf intensiver Weise mit religiösen Fragen des Rechtes beschäftigte und seine Leidenschaft in den katholischen Glauben festigte. Zugleich verfolgte er die Idee eines Klosterbeitritts, die er allerdings wieder verwarf.

1563 wechselte Lipsius an die “Katholieke Universiteit Leuven, an der er das Studium der Rechtswissenschaften aufnahm. Parallel befasste sich Justus Lipsius in Löwen mit dem Humanismus.

Nach dem Tod seines gut situierten Vaters im Jahre 1565 beschäftige sich Lipsius auch weiterhin auf seinen bekannten Studiengebieten und baute über Kardinal Antoine Perrenot de Granvelle seine Beziehungen zu der katholischen Kirche weiter aus. Ein zweijähriges Studium an der Vatikanischen Bibliothek bildeten nicht das Ende seiner Weiterbildung. Justus Lipsius verstarb am 23. März 1606 in Löwen im Alter von 58 Jahren.

 

 Der zweite hauptamtliche Syndicus der Hanse, Johann Domann

 Personenbezogene Daten J. Domann:

  • * 02.05. 1564 in Osnabrück
  • 20.09. 1618 während Verhandlungen in Den Haag
  • Bestattet in Den Haag
  • Wohnhaft in Lübeck
  • verheiratet

 Krankheitsverlauf von J. Domann:

    Johann Domann verstarb am 20.09. 1618 während intensiver Beratungen der Hansestädte und den Niederlanden, die als Zielsetzung ein Vorgehen gegen Christian IV. von Dänemark  [1P] hatten, an einer nicht näher bezeichneten Erkrankung.

 Daten der Angehörigen von J. Domann:

  • Vater – ? Domann † ?
  • Geschwister – ?
  • Ehefrau von J. Domann - † ~ ?

 

 Der Beruflicher Werdegang von J. Domann (Teil I):

  • ~1581 Aufnahme des Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock.
  • Zeitweilige Unterbrechung des Studiums aus Geldmangel und Aufnahme einer Stelle als Konrektors in Lemgo.
  • Wiederaufnahme des Studiums in Helmstedt.
  • 1591 Promotion zum Doktor Juris am 04.10. 1591 in Helmstedt.
  • 1592 Aufnahme einer Verwaltungsstellung bei der Stadt Stralsund.
  • Aufstieg als zweiter städtischer Syndikus.
  • 1598 Verhandlungen als Syndicus der Stadt Stralsund in Schweden.
  • 1598 Vertretung als städtischer Syndikus auf Lübecker Hansetag.
  • 1604 Erfolglose Verhandlungen mit dem Bremer Syndicus Dr. Kressting am Englischen Königshof.
  • 1605 Verhandlungen in Schweden.
  • 1605 Berufung in das Amt des Syndicus der Hanse.
  • 1606 Verhandlungen über Defensivbündnis der Reichsstädte am 23.04. 1606 in Worms.
  • 1606 Beschlussfassung einer hansischen Gesandtschaft des Syndicus Domann, mit den hansischen Bürgermeistern Heinrich Brokes (Lübeck) und Hieronymus Bogeler (Hamburg), sowie dem Ratsherren Arnold von Holten (Danzig) an das spanische Königshaus Philipp III., Hansetag in Lübeck am 21.05. 1606.
  • 1606 Diplomatischer Zwischenbesuch König Heinrich IV. am 12.11. 1606 auf dem Weg zum spanischen Königshof.
  • 1607 Ankunft zu Verhandlungen über hansische Privilegien am spanischen Königshof am 02.04. 1607.
  • 1607 Verhandlungen über hansische Privilegien in Frankreich.
  • 16081611 offene Diskreditierung Domanns durch hansische Feinde.
  • 1611 Wechsel in das Amt des Syndicus der Stadt Rostock.
  • 1612 Erneute Übertragung der Stellung des Syndicus der Hanse, bei Beibehalt der Stellung als Syndicus der Stadt Rostock.
  • 1612 Gesandtschaft an den Hof von Kaiser Matthias mit anschließender Gesandtschaft nach Holland.
  • 1615 Hansischer Unterhändler zwischen Braunschweig und des Braunschweiger Landesherren.
  • 1616 Erfolgreicher Abschluss eines Bündnisvertrages der Hanse mit den Niederlanden.
  • 1618 Niederlegung des Amtes als Syndicus von Rostock.
  • 1618 Auszahlung rückständiger Unterhaltsgelder an Domann (2.000 Reichstaler rückständiger Unterhalt, 1.000 Reichstaler Jahresbesoldung, sowie 100 Reichstaler für ein neu erworbenes Gebäude, das Domann in Lübeck 1618 gekauft hatte).
  • 1618 Reisen und Gesandtschaften: 27.06. 1618 Reise nach Rostock, 26.07 1618.
  • 1618 Gesandtschaft. Aufzeichnungen sprechen bei der Julireise über eine für Domann strapaziöse Reise, die offensichtlich eine gesundheitliche Schwächung zur Folge hatte.
  • Johann Domann verstarb am 20.09. 1618 als letzter hauptamtlicher Syndicus der Hanse im Alter von 54 Jahren während intensiver Verhandlungen in Den Haag und wurde in Den Haag bestattet.

 

 

 Der Beruflicher Werdegang von J. Domann (Teil II)

  1598 beeindruckte Domann auf einem Hansetag in Lübeck als amtierender Syndicus der Stadt Stralsund die Vertreter der Hansestädte so nachhaltig, dass sein leidenschaftlicher Einsatz für die Stadt Stralsund in Rostocker Chroniken vermerkt wurde („… ein gewaltiger, gravitätischer Mann und ein vortrefflicher Orator ...“). Lübecks Bürgermeister Heinrich Brokes [1P] baute mit Domann einen Briefwechsel auf, der in eine Lebenslange Freundschaft mündete. Während seiner Tätigkeit als Syndicus der Hanse stellte Domann wiederholt sein Können als kritischer und geschickter Unterhändler der Städtegemeinschaft unter Beweis. Eine beständige kompromisslose Unnachgiebigkeit bei den Verhandlungen stärkten Domanns Gegner allerdings zusehends und führten in den Jahren 1608 bis 1611 zur öffentlichen Kritisierung seiner Person. Alle Stützungsversuche des kritischen Syndicus durch Brokes konnten den Weggang von Domann nicht verhindern. 1611 gab der Syndikus auf einem Hansetag in Lübeck öffentlich sein Überwechseln zu einem neuen Dienstherren bekannt, der Hansestadt Rostock [1] [2] [3] [4] [5] [6]. Die prekäre Lage der Hanse veranlasste die Städtegemeinschaft nach nur einem Jahr dem unermüdlichen Reformer das Amt wieder zu übertragen.

  Die außergewöhnliche Persönlichkeit von Johann Domann konnte den Niedergang der Hanse allerdings nicht ausbremsen. Veränderte politische Verhältnisse in England [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10], sowie die Entwicklung einer starken Konkurrenz der Hanse beschleunigten die Zersetzung. In dem einst durch die Hanse dominierten Handel in und mit Russland [1] [2] [3] [4] [5], brach der Handel großflächig weg. Russland baute eine eigenständige Handelsflotte auf und drängte die Hanse zusehends aus dem russischen Markt. Die Abneigung der Russen gegen die dudesche Hansa nährte sich aus der in der Vergangenheit aggressiv geführten Handelspolitik, die sich fast ausnahmslos auf den Vorteil der Hanse ausgerichtet hatte. Als entscheidendes Problem für die Gemeinschaft kann auch die Zersplitterung der Kaufmannschaften und Hansestädte betrachtet werden. Wo in früheren Zeiten das produzierende Gewerbe zu festgesetzten Konditionen Rohstoffe kaufen musste, drangen Händler von vormaligen Hansestädten und ausländische Händler auf den Rohstoffmarkt und betrieben zeitweise einen ruinösen Wettbewerb. Stapelvorschriften [1] wurden nicht beachtet, umgangen oder abgeschafft und bildeten weitere Probleme für die Städtegemeinschaft. Anfänge der Industrialisierung in Frankreich und Europa erschufen einen flexiblen Handel von Rohstoffen und Fertigprodukten, der starre Handel der Hanse war dem Untergang geweiht.

  Domann war nicht nur der letzte hauptamtliche Syndicus der Hanse, sondern zugleich auch ein politischer Dichter, der durch seine patriotischen Werke (insbesondere in Westfalen) zu den beliebtesten Dichtern und Intellektuellen seiner Zeit zählte.

  Bekannt geworden ist Domann durch sein Werk „Pro Westphalia“ und dem „Lied von der deutschen Hanse“, wobei das „Lied der deutschen Hanse“ über einen längeren Zeitraum verfasst wurde. Der originalgetreue Text ist nicht erhalten geblieben, vielmehr wurde er im laufe der Jahrhunderte häufig in Teilbereichen der lebenden Sprach angepasst und bedauerlicherweise somit auch verfälscht. Ein verheerender Brand im Jahre 1842 vernichtete im „Senatsarchiv des Hamburger Senats“ ein Exemplar, das als das älteste erhaltene Exemplar galt unwiderruflich.

  Der Historiker Dr. jur., Dr. h.c. Johann Martin Lappenberg, der im übrigen der Mitbegründer und erste Vorsteher des im Jahre 1839 gegründeten „Vereins für hamburgische Geschichte“ war, hatte glücklicherweise vor 1842 zu Studienzwecken eine handschriftliche Abschrift angefertigt. Die Abschrift wurde in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte”, Zweiter Band“, die im Jahre 1847 publiziert wurde, mit eingebunden.

Im Vorwege möchten wir dem nachfolgenden Werk allerdings zum Verständnis der historischen Zusammenhänge einige Anmerkungen vorwegstellen, die, so meinen wir, erwähnenswert sind:

  • Die Autoren des zugrundeliegenden Werkes setzten die veröffentlichten Strophen aus verschiedenen Quellen zusammen, wobei die handschriftliche Abschrift von Lappenberg allerdings das Kernstück bildete. Der Verfasser von Lappenbergs „Urschrift“ bleibt in der Veröffentlichung unbenannt, vielmehr sprechen die Autoren des Geschichtsvereines explizit in ihrer Publikation aus dem Jahre 1847 von einem unbekannten Verfasser, der allerdings nach Erkenntnissen des Vereins eine nahezu unverfälschte Fassung überlieferte. Man geht in der Zeitung sogar soweit, daß eine Datierung um den 5. Mai 1606 gewagt wird, die als Domanns erste Ausarbeitung in unkorrigierter Form gilt.
  • Johann Martin Lappenberg erwähnt in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Zweiter Band“, dass bei unterschiedlichen Quellen die Inhalte von identischer Strophen teilweise erheblich voneinander abweichen und durch Übersetzungsversuche teilweise verfälscht worden sind. Interessanterweise gab Domann nach unserem Kenntnisstand seinem Werk nie einen Titel, vielmehr leitet sich die heute gebräuchliche Bezeichnung aus einer in Bremen archivierten Handschrift ab („… Ein schön new Lied von der loblichen Alten Teutschenn Hanse, Im Thon des Rulandts oder wie es eimb besser gefelt.“), die keinen Hinweis auf ein Datum trägt. Auf Grund ihres textlichen Inhaltes wird vermutet, dass die Erstellung dieser Handschrift in die Anfangsjahre des 17. Jahrhunderts fällt. Eine andere Handschrift, die vom „Verein für Hamburgische Geschichte“ in das Jahr 1610 datiert wurde, betitelt das Werk in fast identischer Weise.
  • Lappenbergs „Urschrift“ verweist durch einige sprachliche Formulierungen, die eine mögliche Datierung in die Zeit um 1606 wahrscheinlich macht, als Domann zu Verhandlungen um ein Defensivbündnis der Reichsstädte nach Worms gereist war, wo der Syndicus am 23.04. 1606 eintraf. Lappenberg stellte sogar soweit Spekulationen an, dass Domann den Text möglicherweise persönlich verfasst hat, oder dass das vorliegende Exemplar zumindest eine exakte Abschrift von Domanns Schrift ist. Als ein Indiz für das Alter kann auch angesehen werden, dass wie bei den anderen ältesten Handschriften auch, ein Fehlen der Strophen 43 und 44 auf die frühe Ausfertigung hindeutet. Auch Lappenbergs „Urschrift“ verweist auf den Titel des Werkes („… Hir folget ein schön gedichte von der altten löblichen teutschen Anze: vff dem Anzetage zu Lubeck Ao. 1606 gemacht worden von einem Liebhaber der gutten und hochnötigen Einigkeit der Stete.“).

 

Ein schön new Lied von der loblichen Alten Teutschenn Hanse, ...                                         

                                                                    ... oder Domanns Lied von der Deutschen Hänse

 

Das Hanselied des Johann Domann I1   Das Hanselied des Johann Domann II

 

 Der berufliche Werdegang von J. Domann (Teil III)

 Ausbildung und Schulbildung von J. Domann:

  Johann Domann wurde am 02.05. 1564 in Osnabrück geboren. Die Eltern des späteren Juristen entstammen Aufzeichnungen zufolge nicht aus wohlhabenden Verhältnissen, was die Ausbildung des jungen Domanns verzögern sollte. Ein unbändiger Fleiß, sowie ein lebhaftes Interesse für die Rechtswissenschaften, machten den Rat der Stadt Osnabrück auf den jungen Mann aufmerksam.

  Im Jahre 1581 nahm Domann finanziell gestützt durch ein Teilstipendium des Osnabrücker Rates das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock auf und immatrikulierte als „Johannes Domannus Osnabruegensis“. Finanzielle Probleme seines Elternhauses zwangen Johann Domann zu einer zeitweiligen Unterbrechung des Studiums und der Annahme einer Stellung als Konrektor in Lemgo. Nach der Wiederaufnahme des Studiums promovierte Sudermann am 04.10. 1591 zum Doktor Juris in Helmstedt. Aufzeichnungen zufolge war der Osnabrücker Rat zum Doktorschmaus eingeladen.

 Bedeutende berufliche Eckpunkte von J. Domann:

  Bekannt geworden ist Domann noch vor dem 04.10. 1591 durch einen Offenen Brief an den niederländischen Humanisten Justus Lipsius [1P] und das Werk „Pro Westphalia ad Iustum Lipsium apologeticus“ (Anmerkung der umdht.org: Eine digitalisierte Form des Werkes steht im Internet zur Verfügung!), in dem er einer provokanten Veröffentlichung von Lipsius gegen Westfalen und seiner Bevölkerung mit zynischen Gegenantworten entgegentrat, die Lipsius Ruf nachhaltig schädigen sollte und ihn später zur öffentlichen Distanzierung von seinen vorherigen Briefen zwangen. Die Beliebtheit des zynischen Werkes führte noch 1591 zu einer zweiten Auflage.

  Bereits 1592 trat Domann bei der Stadt Stralsund die Stellung eines Syndicus auf Probe an, in der er schnell das Vertrauen des Rates der Stadt gewann und in der städtischen Verwaltung in das Amt des ersten Syndicus befördert wurde. 1598 vertrat er die Interessen Stralsunds [1] auf einem Hansetag in Lübeck augenscheinlich auf so beeindruckende Weise, dass die Rostocker Chronik ihn als „… ein gewaltiger, gravitätischer Mann und ein vortrefflicher Orator …“ beschreibt. Domanns rednerische Geschicke auf dem vorgenannten Hansetag stellten den Durchbruch für seine weitere berufliche Entwicklung dar. Heinrich Brokes [1P], Bürgermeister der Stadt Lübeck, erkannte Domanns Talente frühzeitig und baute einen intensiven Schriftwechsel mit dem jungen Syndicus auf. Im gleichen Jahr führte Domann als städtischer Syndicus Verhandlungen im Auftrage von Stralsund in Schweden.

  1604 wurde Domann mit dem Bremer Syndicus Dr. Kressting zu Verhandlungen an den Englischen Königshof gesandt, die ergebnislos endeten. Ein Jahr später reiste Domann in das schwedische Kalmar zu Verhandlungen mit dem späteren schwedischen König Karl IX. [1P]. 1605 entschloss sich die Hanse unter Federführung von Heinrich Brokes [1P], zur Ernennung Domanns als neuen Syndicus der Hanse. Am 23.04. 1606 reiste Domann zu Verhandlungen über ein Defensivbündnis der Reichsstädte [1] [2] [3] [4] nach Worms. Am 21.05. 1606 erstattete er Bericht auf einem in Lübeck gehaltenen Hansetag, auf dem gleichzeitig der Beschluss einer hansischen Gesandtschaft an den Hof des spanischen Königs Philipp III. [1P] gefasst wurde. Von der Gesandtschaft sind bis in unsere heutige Zeit umfangreiche Spesenabrechnungen erhalten geblieben, die über Kost und Logie einen umfassenden Eindruck vermitteln. Die hansische Gesandtschaft bestand aus dem Syndicus Johann Domann, den Bürgermeistern Heinrich Brokes (Lübeck)und Hieronymus Bogeler (Hamburg), sowie dem Ratsherren Arnold von Holten (Danzig). Die Reise der hansischen Gesandtschaft wurde gleichzeitig für Hofbesuche an anderen Königshäusern genutzt, woraus Domanns Feinde in der Folgezeit Vorwürfe konstruierten, die sogar soweit gingen, dass sie ihm Verrat, oder zumindest die Verquickung andersartiger Interessen unterstellten. Der Reiseweg führte die Gesandtschaft am 12. November 1606 über Brüssel nach Paris, wo König Heinrich IV. [1P] von Frankreich (* 13.12. 1553 in Pau (Navarra), † 14.05. 1610 in Paris) der Gesandtschaft einen ehrenvollen Empfang bereitete.

Hier sei zur Verdeutlichung der Situation hinzugefügt, dass Domann es verstanden hatte, durch eine geschickte Diplomatie enge Beziehungen zu diversen europäischen Staaten aufzubauen, was seine Gegner für die Formung falscher Anschuldigungen missbrauchten. Aussagen des Lübecker Bürgermeisters Heinrich Brokes belegen ein häufiges Umgangsverhalten mit hansischen Vertretern und Ratsmitgliedern, welche er als Schroff bezeichnete. Gleichzeitig attestierte Brokes dem Syndicus allerdings ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz. – In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Persönlichkeit eines hansischen Syndicus ein bei weitem umfangreicheres Wissen benötigte, als die eines Doktor Juris.

  In der Folgezeit baute Domann seine diplomatischen Beziehungen weiter aus und ließ sich eigens zu diesem Zwecke noch im Jahre 1612 auf eine hansische Gesandtschaft an den Hof des deutschen Kaisers, Matthias [1P] (* 14.02. 1557 in Wien; † 20.03. 1619 ebenda) verschicken. Die Gesandtschaft an den Hof des "Sacrum Romanum Imperium" (Bezeichnung für den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen; erste urkundliche Erwähnung 1254) stand unmittelbar mit der Thronbesteigung des Kaisers am 13.06. 1612 in Zusammenhang und kann auch als Aufwartung betrachtet werden. Gleichzeitig trug der Syndikus dem Kaiser, die noch immer schwierigen hansisch-dänischen Beziehungen vor und warb um kaiserliche Unterstützung. Begleitet wurde Domann unter anderem durch seinen alten Gönner und Freund, dem Lübecker Bürgermeister Heinrich Brokes [1P]. Die für die Hanse immer prekärere Lage veranlasste die Gesandtschaft noch zu Verhandlungen in den Niederlanden [1]. Ihr Anliegen wurde zwar überwiegend positiv aufgenommen, die Niederlande sahen sich allerdings nicht dazu veranlasst einen Bündnisvertrag zu schließen. Domanns Vorarbeit sollte sich allerdings 1616 durch einen Bündnisvertrag gegen Christian IV. von Dänemark [1P] bezahlt machen.

  Sowohl Domanns diplomatische Erfolge, als auch die bereits erwähnten hervorragenden diplomatischen Kontakte des Syndicus zu vielen Herrscherhäusern, stellten seine einstigen Kritiker alsbald kalt und veranlassten den Bund der Hanse noch 1612 bei Domann zu einer Vorsprache. Dem Syndikus wurde 1612 erneut das wichtige Amt übertragen. Die Bedeutung des Syndicus deckt die Vielfalt an Zugeständnissen auf, die die Hanse Domann gewährte. So durfte er das vakante Amt des hansischen Syndicus unter Beibehaltung seiner Stellung als Syndicus der Stadt Rostock von seinem Rostocker Amtssitz aus führten. – Dieses kann als außerordentliches Zugeständnis betrachtet werden, zumal das Amt in der Vergangenheit sehr häufig durch Syndici der Stadt Lübeck ausgeführt wurde und der „Amtssitz“ traditionell in Lübeck war; erinnert man sich in diesem Zusammenhang an die Querelen, die Sudermann ertragen musste, so mag einem ein ungefährer Eindruck vermittelt werden.

  Im Jahre 1615 leitete Domann zusammen mit dem im Juni 1614 neu eingesetzten 78-er Ausschuss eine Kehrtwende der hansisch-städtischen Politik gegenüber Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (* 15.04. 1591 in Wolfenbüttel; † 21.08. 1634 in Braunschweig) ein. Über Jahrhunderte hatte Braunschweig sowohl die Huldigung der Herzöge verweigert, als auch ihre Autorität in Religion und Finanzpolitik in Frage gestellt. Braunschweig [1] verteidigte zu allen Zeiten mit großer Vehemenz seine Selbstständigkeit und schloss zu diesem Zweck unter anderem auch 1611 / 1612 einen militärischen Schutzbündnisvertrag mit den Vereinigten Niederlanden [1]. Domanns Erfolge bei den Verhandlungen im Jahre 1615 resultierten aber auch aus veränderten politischen Verhältnissen innerhalb der Stadt Braunschweig, die Ihren Grund in der Auflösung des alten Rates der Stadt hatten (Durch innere Unruhen, die mit massiven Ausschreitungen verbunden waren, waren die Patrizier aus dem Rat gedrängt worden).

  Domanns intensive Vorarbeit in den Jahren 1612 und 1613 wurden nach weiteren ausgiebigen Verhandlungen im Jahre 1616 durch einen Bündnisvertrag mit den Niederlanden gegen Dänemark belohnt.

  Domann erfuhr eine ähnliche finanzielle Behandlung wie sein großer Vorgänger Heinrich Sudermann, allerdings mit dem Unterschied, dass Domann für die Hanse auf Grund seiner umfangreichen Beziehungen und seines herausragenden Fachwissens unverzichtbar war. Die Hanse stellte mittlerweile die Forderungen auf, dass der große Syndikus seine Rostocker Stellung aufgeben und endlich sowohl seinen Wohn- als auch Amtssitz nach Lübeck verlegen sollte. Domann entsprach den vorgenannten Forderungen unter der Bedingung, dass die Städtegemeinschaft noch ausstehende Unterhaltskosten nachzahlte, die sich auf stattliche 3.000 Reichstaler beliefen (2.000 Reichstaler rückständiger Unterhalt, sowie 1.000 Reichstaler Jahresbesoldung). Zusätzlich verlangte Domann noch 100 Reichstaler für den Erwerb eines Hauses in der Königsstraße. Domann verlegte noch 1618 seinen Amtssitz nach Lübeck und trat am 27.06. 1618 eine eilig anberaumte Gesandtschaftsreise nach Rostock an. Nur wenige Tage später sah sich die Hanse gezwungen den Syndicus am 26.07. 1618 zu einer strapaziösen Gesandtschaft nach Den Haag zu entsenden, die über Konflikte zwischen Dänemark und den Niederlanden verhandeln sollte.

  Johann Domann verstarb im September des Jahres 1618 im Alter von 54 Jahren an einem nicht näher bekannten Infekt. Einige Quellen benennen den 20.09. 1618, wiederum andere den 26.09. 1618 als Todestag. Bestattet wurde Doktor Johann Domann in Den Haag.

 

 Nachwort

  Doktor Johann Domann zählte neben Doctor Heinrich Sudermann zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der hansischen Geschichte. Domann ist unter anderem auch durch die Fassung des Seerechts bekannt geworden, das 1614 auf einem Hansetag als „Der ehrbaren Hanse-Städte Schiffs-Ordnung und See-Recht …“ beschlossen wurde. In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass dieses Werk in abgewandelter Form in unsere heute moderne See-Schifffahrts-Ordnung eingeflossen ist.

  Nach Domanns Tod war der Niedergang der Hanse unaufhaltsam und drückte sich auf dem letzten offiziellen Hansetag in einem offensichtlichen Desinteresse durch ein breites Nichterscheinen hansischer Vertreter aus. Der am 29.05. 1669 in Lübeck einberufene Hansetag war das letzte offiziell verzeichnete Zusammentreffen der Städtegemeinschaft. Nur neun städtische Abgesandte aus den Städten Braunschweig, Bremen, Danzig, Hamburg, Hildesheim, Köln, Lübeck, Osnabrück und Rostock fanden sich auf dem letzen Hansetag unter dem Vorsitz des Lübecker Bürgermeisters Johann Ritter [1P] (* 1622, † 01.09. 1700 ebenda) zusammen, ohne einen Beschluss zu fassen.

 

 Weitere bekannte Syndici

 Dr. Dr. Albert Krantz

 Jurist; Theologe; Historiker; Humanist; Politiker

 Personenbezogene Daten A. Krantz:

  • * ~ 1448 in Hamburg
  • 07.12. 1517 ebenda

 Krankheitsverlauf von A. Krantz:

  • Zur Zeit keine Informationen verfügbar

 Daten der Angehörigen von A. Krantz:

  • * ~ 1448 in Hamburg (Sohn des Schloßhauptmannes Eggert Krantz)

 Beruflicher Werdegang von A. Krantz:

  • 1463 Besuch der Domschule Marianum in Hamburg.
  • ~ 1463 Aufnahme des Studiums an der Universität Rostock.
  • 1465 Verleihung des Titels Baccalaureus (entspricht dem heutigen Bachelor und ist vergleichbar mit einem „akademischen Gesellenbrief“).
  • 1467 Verleihung des Magister Artium (Magister Artium, kurz M. A., ist der akademische Abschluß der geistes-, kultur- und sozialwissenaften. Abschließend betrachtet verleiht er das Recht des Lehrmeisters der Wissenschaften und bezieht sich auf ein breitgefächertes Gebiet - universell).
  • 1468 Immatrikulierung an der Universität Rostock.
  • 1480 Berufung zum Professor.
  • 1481 - 1486 Dekan der Artistenfakultät (In der Artistenfakultät des Mittelalters wurden die sieben freien Künste (septem artes liberales) gelehrt, die sich in zwei einzelne Hauptfächerblöcke aufteilten. Den ersten Block bilden die Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik; dieser Block wurde auch als Dreiweg, bzw. trivium bezeichnet. Der zweite Hauptblock beinhaltete die Fächer Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie; dieser Fächerblock wurde als Vierweg, bzw. quadirivium bezeichnet. Das Fach der Astronomie der damaligen Zeit griff hauptsächlich die Lehrinhalte der heute bekannten Astrologie auf).
  • 1482 / 1483 Rektor der Universität Rostock.
  • 1483 Beaufsichtigung der Grabesöffnung von Albertus Magnus (auch Albertus Coloniensis, Albertus Teutonicus, Albert der Große, Albert der Deutsche, Albert von Lauinen und fälschlicherweise auch Albert Graf von Bollstädt genannt).
  • 1486 - 1491 Syndicus und Diplomat der Städte Lübeck und Hamburg. Das Amt führte Krantz zu diplomatischen Verhandlungen nach Antwerpen, Danzig, England, Königsberg, Riga und diversen anderen Städten. 1491 Aufnahme des Studiums an der Universität im Mai 1491. 1491 Verleihung des Titels „Doctor decretorum“ (für kanonisches Recht - Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche des lateinischen Ritus sowie der katholischen Ostkirchen) in Mainz.
  • 1492 Verleihung des Titels „Doctor theologiae“ in Perugia (Region Umbrien, Italien).
  • 1493 Domlektor in Hamburg (lector primarius).
  • 1500 - 1502 Abfassung von 6 Bänden über die Historie des norddeutsch-hansischen Gesamtraumes.
  • 1503 Vertragsvermittlung zwischen Johann I. von Dänemark und sechs wendischen Städten.
  • 1504 Nachtrags- und Ergänzungsaufsätze zur Historie des norddeutsch-hansischen Gesamtraumes.
  • 1508 Domdekan in Hamburg.
  • 1509 Nachtrags- und Ergänzungsaufsätze zur Historie des norddeutsch-hansischen Gesamtraumes.
  • 1517 Verstorben am 07.12. 1517 in Hamburg.

 

 Magister Artium Albert Krantz, (Artium - Lehre der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften) auf einem Holzschnitt; Krantz war schon zu Lebzeiten bekannter Jurist. Theologe, Historiker, Humanist und Politiker.

 ↑ Magister Artium Albert Krantz, (Artium - Lehre der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften) auf einem Holzschnitt.

 

 

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